Die verschiedenen Persönlichkeitsanteile – Einblick in die systemische Therapie

Die verschiedenen Persönlichkeitsanteile

Wir Menschen sind sehr komplexe Wesen, wir sind nicht zu 100 Prozent das Eine oder das Andere. Stattdessen setzt sich unsere Persönlichkeit aus unterschiedlichen Facetten und Anteilen zusammen. Dieser Annahme folgt die sogenannte Anteilsarbeit beziehungsweise die Arbeit mit den Persönlichkeitsanteilen, die auf die systemische und hypnotherapeutische Therapie zurückgeht. Demnach ist unsere Persönlichkeit ein vielschichtiges System, indem die verschiedenen Anteile miteinander kommunizieren. Je nachdem in welchem Kontext die inneren Anteile laut werden, können sie uns voranbringen, bremsen oder auch beschützen.

Das innere Kind

Den Begriff „inneres Kind“ werden Sie bestimmt schon einmal gehört haben. Jeder von uns trägt es in sich, es ist der kindliche, verletzliche und liebesuchende Anteil unserer Persönlichkeit. Er basiert auf der Ur-Verletzung, die wir in der Kindheit erleben. Als Kind begegnen wir der Welt und den Menschen offen, zugewandt und sind frei von Wertungen und Vorurteilen. Irgendwann kommt aber die Zeit, in der wir sozusagen in der Realität ankommen und die Erfahrung machen, dass die Welt nicht nur gut ist und uns nicht alle Menschen zugewandt sind. Wir erleben Kritik, Verletzungen, Scham und Wut, vielleicht sogar traumatische Ereignisse. All das verletzt unser inneres Kind, ist aber auch notwendig, damit wir erwachsen werden können. Das heißt auch, dass wir den Kindanteil in uns immer mehr abspalten, meist in das Unterbewusstsein. Dort sucht er weiterhin nach Aufmerksamkeit, Liebe, positiver Zuwendung und Erlösung. Und noch etwas passiert: Das Urteil, welches wir als Kind erfahren haben, wird von uns verinnerlicht und internalisiert. Das ist die Geburtsstunde des inneren Kritikers.

Der innere Kritiker

Schmerzhafte Erfahrungen und verletzende Situationen sind für die Seele zu quälend. Daher ist sie immer bestrebt, diesen Erschütterungen aus dem Weg zu gehen und sie nicht noch einmal erleben zu müssen. War die Ur-Verletzung in der Kindheit zu groß, kann es sein, dass wir enorm selbstkritisch werden. Die Funktion der Selbstkritik will uns beschützen, sie möchte verhindern, dass wir noch einmal in solch eine kränkende Situation geraten. Der innere Kritiker lässt uns vor neuen Herausforderungen unsicher werden und spielt das Erlebte immer wieder im Kopf durch. Das führt zum einen dazu, dass wir uns weniger zutrauen und zum anderen, dass wir auf Urteile und Kränkungen von anderen stets vorbereitet sind. Die gesunde Form der meist zu harten Selbstkritik ist die Selbstliebe.

Der innere Abtreiber

Unser innerer Antreiber ist der Teil unserer Persönlichkeit, der unsere verinnerlichten Glaubenssätze, Lebensregeln und unser Pflichtbewusstsein beinhaltet. Bei Entscheidungen und Verhaltensweisen spielt er meist eine entscheidende Rolle und kann uns im Leben voranbringen. Der innere Antreiber kann uns aber auch einengen, vor allem, wenn er sehr stark ausgeprägt ist. Dann macht er uns in Entscheidungen unflexibel und drängt uns zu Verhaltensweisen, die uns eigentlich gar nicht guttun. So kann er uns in stressigen und belastenden Situationen dazu bewegen, immer weiterzumachen.

Anteile in Beziehung zueinander setzen

Es gibt noch zahlreiche weitere Persönlichkeitsanteile, zum Beispiel den Beschützer, den Ängstlichen, den Perfektionisten, den Erwachsenen, den Richter und weitere. Wichtig zu wissen ist, dass es per se keinen schlechten Anteil gibt, auch wenn es auf den ersten Blick bei manchen so wirken könnte (etwa beim inneren Kritiker). Es geht vielmehr darum, in welcher Beziehung sie zueinanderstehen. Jeder Anteil ist mit voller Absicht entstanden und hat sich so entwickelt, wie es ihm das Leben vorgibt. Manche von ihnen können aber zu laut werden, also dysfunktional, manipulativ oder anachronistisch sein. Sie können einen übermächtigen Charakter entwickeln und Ihnen als den Mensch, der diese Anteile beherbergt, mehr schaden, als nutzen. Dysfunktional auftretende Anteile sind nicht nur schädlich für die Seele, sondern können auch den Körper, die persönliche Entwicklung und die Beziehungen zu anderen Menschen negativ beeinflussen. In diesem Fall werden die Anteile einzeln aufgeschlüsselt, in Beziehung zueinander gesetzt und herausgefunden, warum einer oder mehrere von ihnen so aufdringlich und selbstschädigend sind. Es geht hier aber nicht darum, sie verschwinden zu lassen, sondern vielmehr darum, ihre Verletzungen zu heilen.