Pathologisches Lügen – wenn Lügen zwanghaft wird

Sie werden sicherlich den legendären Baron Münchhausen kennen, der mit seinen unglaublichen Geschichten, die unter seinem Namen kursieren, die Menschen zum Narren hielt. Hinter dem Lügenbaron steckte eigentlich Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen. Er erzählte haarsträubende Geschichten von angeblichen Jagd- und Reiseerlebnissen, die sich tatsächlich so abgespielt haben sollen. Obwohl in ihnen jegliche physikalische oder biologische Gegebenheiten ad absurdum geführt wurden, konnte er die Ereignisse so geschickt verknüpfen, dass die Grenze zwischen Wahrheit und Dichtung oft nur schwer zu erkennen war. Münchhausen war ein pathologischer Lügner. Was genau das bedeutet, erfahren Sie in diesem Artikel.

Lügen ist nicht gleich Lügen

Wussten Sie, dass Menschen mehrmals am Tag lügen? Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen kleinen Notlügen und böswilligen Lügen, die anderen Menschen schaden können. Auch das Übertreiben von Geschichten in geselligen Runden ist per se nichts Krankhaftes. Der wahre Kern der Geschichte wird beibehalten, aber eben noch etwas aufgebauscht und ausgeschmückt. Dadurch erscheinen die Begebenheiten einfach interessanter und fesseln die Zuhörer mehr. Dem liegt keine böse Absicht zugrunde, sondern einfach nur ein ganz natürliches Geltungsbedürfnis. Hier wird aber niemand herabgesetzt oder verletzt. Kleine Notlügen und das Ausschmücken von Geschichten sind also kein pathologisches Lügen, auch nicht, wenn es häufiger vorkommt. Diese Menschen sind dann vielleicht moralisch schwach, aber nicht krank.

Daran erkennt man pathologisches Lügen

Für krankhaftes Lügen gibt es einen Fachbegriff und der lautet "Pseudologia Phantastica". Erstmalig wurde das pathologische Syndrom von dem Psychiater Anton Delbrück im Jahr 1891 diagnostiziert. Die Betroffenen lügen nicht primär aus den gewöhnlichen Gründen, etwa um besser dazustehen oder Konflikten aus dem Weg zu gehen. Bei Menschen, die unter Pseudologie leiden, gibt es keinen sichtbaren äußeren Anlass. Sie lügen um des Lügens willen und können mitunter gar nicht mehr erkennen, dass sie die Unwahrheit sagen. Oftmals entwickeln sie aufgrund von einer traumatischen Vergangenheit oder einem geringen Selbstwertgefühl ein sehr stark ausgeprägtes Geltungsbedürfnis. Dabei kann sich pathologisches Schwindeln mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung überschneiden. Die Betroffenen fühlen sich minderwertig und unscheinbar, das versuchen sie zu kompensieren, indem sie grandiose Dinge erzählen. Das Lügen ist dabei das Mittel ihrer Wahl, um Aufmerksamkeit zu erlangen und um sich eine Bühne zu erschaffen. Instinktiv wählen sie dabei das Publikum aus, das ihnen glaubt und nehmen Abstand von allzu logischen und realistischen Menschen. Interessanterweise wirken zwanghafte Lügner gar nicht wie Menschen, die ein geringes Selbstwertgefühl haben oder an einer Kommunikationsstörung leiden. Das ganze Gegenteil ist der Fall: Im Laufe der Zeit entwickeln sie immer bessere, schauspielerische Fähigkeiten. Sie können sich äußerst geschickt mit Worten ausdrücken und wirken durchaus sympathisch. Dadurch schaffen sie es, dass die Menschen quasi an ihren Lippen kleben.

Zwanghaftes Lügen kann unglaubliche Ausmaße annehmen

Pathologische Lügner stehen immer selbst im Mittelpunkt der dramatischen Ereignisse. Das kann so weit gehen, dass sie ihren Lebenslauf teilweise oder komplett neu erfinden. So können sie sich eine ernsthafte Krankheit ausdenken oder das Erleben einer Katastrophe. Natürlich sind sie dabei immer sehr bedacht, nicht aufzufliegen. So werden sie die Krankheitsgeschichte nicht erzählen, wenn ein Arzt anwesend ist. Er könnte detailliertere Fragen stellen, auf die es so schnell keine Antwort gibt. Nicht selten werden sich auch Geschehnisse herausgesucht, die aus den Medien bekannt sind. Das macht es leichter, weil das Setting bekannt ist und die Geschichten "nur weitergesponnenen" werden müssen.

Pathologisches Lügen nicht verurteilen

Auch wenn es anstrengend und unverschämt ist, teilweise auch lustig wirkt, wenn ein Mensch permanent lügt, darf man nicht vergessen, dass dahinter ein ernsthaftes Problem steckt. In den allermeisten Fällen ist es ein Abwehrmechanismus, die aus Gefühlen wie Angst und Scham entstehen. Das beginnt größtenteils in der Kindheit und entwickelt sich in der Jugend als Zwang. Am Ende schaffen sich die Betroffenen damit ihre eigene Wirklichkeit, weil sie die Realität nicht aushalten. Diese Menschen brauchen fachliche Hilfe.