Transgenerationales Trauma – Weitergabe von Traumata in die nächsten Generationen

Transgenerationales Trauma (Blogbild Homepage)

Seelische Wunden der Eltern, Großeltern und noch weiter zurückliegender Generationen können auch bei uns ihre Spuren hinterlassen. Das kann so weit gehen, dass Betroffene unter Symptomen leiden, die den Eindruck entstehen lassen, als hätten sie das traumatische Erlebnis selbst erlitten. Dabei passt das Ganze gar nicht in ihre eigene Lebensgeschichte. Dieses Phänomen nennt sich transgenerationales Trauma und klingt erst mal etwas unwirklich. Können wir wirklich einschneidende Erlebnisse und prägende Erfahrungen an die nachfolgenden Generationen vererben?

Was ist ein transgenerationales Trauma?

Unter einem transgenerationalen Traumata beziehungsweise der transgenerationalen Weitergabe eines Traumas, auch als Transmission angegeben, wird die Übertragung eines Traumas auf eine andere Person bezeichnet. Bei dieser Person handelt es sich um die Nachfahren des Betroffenen, also deren Kinder, Enkel, Urenkel oder gar Ur-Ur-Enkel.

Wie entsteht ein Trauma?

Wir alle kennen das Gefühl der Angst. An sich ist sie ein nützliches Gefühl, denn sie bewahrt uns vor Gefahren und aktiviert den Flucht- und Kampfmodus. Allerdings handelt es sich dabei um ein temporär auftretendes Gefühl, dem eine konkrete Ursache zugrunde liegt. Leben Menschen in einem anhaltenden Zustand der Furcht, steckt ein psychisches Problem dahinter. Vor allem, wenn eine Bedrohung für das eigene Leben und die persönliche Unversehrtheit vorliegt, setzt das die Seele enorm unter Stress. Das ist zum Beispiel bei Menschen der Fall, die in Kriegsgebieten versuchen zu überlegen, die von Gewalt, Folter und Hunger betroffen waren. Auch Missbrauchserfahrungen, Vernachlässigung in der Kindheit, der überraschende Verlust eines geliebten Menschen oder die Angst um die eigene Existenz sind absolute Grenzerfahrungen. All das bleibt natürlich nicht ohne Konsequenzen, die Betroffenen leiden unter verschiedenen Symptomen, die zusammen das Bild einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zeichnen. Das geht von depressiven Symptomen bis hin zu Albträumen, Flashbacks oder Panikattacken. Durch ihre konstante Angst entwickeln die Menschen zudem Verhaltensmuster, um sich zu schützen. Ein wichtiges Stichwort ist hier die Vermeidung: Orte, Menschen und Situationen, die mit dem Erlebten im Zusammenhang stehen, werden so gut es gehtvermieden. Diese gelten als sogenannte Trigger, also Auslöser für eine Erinnerung, Empfindung oder einen Affekt.

So wird das Trauma in die nächste Generation weitergegeben

Nach heutigem Kenntnisstand kann die Weitergabe des Traumas über verschiedene Wege geschehen. So ist es tatsächlich möglich, dass die Ängste vererbt werden, dabei handelt es sich um die epigenetische Weitergabe. Dabei wird der persönliche Umgang mit Stress an die nächste Generation vererbt. Zudem speichert der Körper die Auswirkungen der furchtbaren Erfahrungen und gibt diese durch die Gene weiter. Natürlich spielen auch die Auswirkungen des Erlebten und Reaktionen auf das Trauma eine wichtige Rolle. Diese werden von den Nachfahren durchaus wahrgenommen und oftmals unbewusst in das eigene Leben integriert. Besonders deutlich wurde das zum Beispiel bei Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen.

Schweigen ist der falsche Weg

Die permanente Anspannung, in der sich die Betroffenen befinden, ist für das Umfeld natürlich spürbar. Vor allem Kinder haben sehr feine Antennen dafür, sollte in der Familie etwas nicht stimmen. Auch wenn die Erwachsenen nicht darüber sprechen, bekommen sie die Belastung mit. So kann es passieren, dass die Kinder selbst Symptome entwickeln, als hätten sie das Leid ihrer Eltern oder Großeltern selbst erlebt. Um die Kinder zu schützen, wird das Geschehene oftmals totgeschwiegen. Eine seelische Verletzung in solch einem Ausmaß lässt sich allerdings kaum verstecken und die Erwachsenen verhalten sich dementsprechend. Die Kinder können das meist nicht einordnen und lernen, dass dieses Verhalten normal ist. So nehmen sie die Auswirkungen des Traumas mit in ihre Generation, obwohl sie damit theoretisch nichts zu tun haben. Auf diese Weise haben die traumatischen Erfahrungen unter anderem Auswirkungen auf ihr Selbstbild, das emotionale Erleben, ihre Fantasien, Träume und ihr unbewusstes Agieren. Daher ist es wichtig, mit den Kindern, sobald sie reif genug dafür sind, offen über das Trauma zu sprechen. So können sie das Verhalten ihrer Eltern oder Großeltern besser einordnen und setzen es in den Kontext zu ihrer besonderen Situation.